Ich habe mich in letzter Zeit viel geschämt. Nicht, weil ich etwas Peinliches gemacht hätte. Im Gegenteil, in letzter Zeit habe ich großartige Dinge gemacht. Ich habe mich Sachen getraut, die ich vorher noch nie gemacht habe: Auf Kampfsportveranstaltungen gesungen und moderiert, auf YouTube meine ersten Singtutorials hochgeladen und meinen neu geschriebenen Song spontan vor Menschen am Klavier vorgeführt. Nachdem der Vorhang fällt, kommt die Scham. Sie ist streng zu mir. Sie will mich am liebsten im Boden versinken lassen. Sie sagt, „Ist das peinlich. Du darfst dich so nicht zeigen.“- Aber woher kommt das?
Schon bevor die großen Momente kommen, ist die Angst da, nicht gut genug zu sein. Sie hat mich Jahre prokrastinieren lassen bei meinem Ziel Musikerin zu werden. Das aktuellste Beispiel ist, das ich meine ganze Wohnung renovierte, bevor ich mein erstes YouTube-Singtutorial hochgeladen habe. „Prokrastination kann auch als Prozess betrachtet werden“ sagte meine Freundin Paula. Es fühlte sich in der Tat wie ein Transformationsprozess für mich an. Alles Alte raus, damit Platz für das Neue kommen kann. Interessant ist, dass sich die Scham jetzt hinterher zeigt for no reason. Denn es gibt keinen Grund mich zu schämen. Alles lief gut ab.
Also wo kommt die Scham her?
Es sind Prägungen aus einer vergangenen Zeit. Ängste, die uns vor Ausgrenzung schützen wollen. Einmal aus der Schulzeit, wo man nichts Uncooles machen durfte, damit man dazu gehört. Also machte ich alles, um dazuzugehören. Gut aussehen, rauchen, Alkohol trinken. Zum Zweiten haben uns die Generationen vor uns geprägt. Die, die in einer Zeit der Überwachung aufgewachsen sind. In der man seine Gefühle nicht zeigen durfte. Wie oft habe ich den Satz: „Du bist so ein Sensibelchen.“ gehört. Ich durfte mich nicht zeigen und die Konsequenz war, dass ich mich in mein sicheres Schneckenhaus zurückgezogen habe. Ich habe mich unangreifbar gemacht, weil ich keinen Bock mehr auf Verletzungen hatte.
Nun kann ich die Gesellschaft und alle möglichen Leute dafür verantwortlich machen, dass ich mich bisher nicht genug gezeigt habe. Aber nur ich bin dafür verantwortlich. Ich habe das alte Gesetzbuch übernommen, dass besagt „Du darfst dich nicht so zeigen wie du bist.“[1] Damals eine schlaue Strategie, um zu überleben. Doch im Erwachsenenalter bewirkte es, das ich nicht zu dem stand, was ich eigentlich bin. Eine Rampensau. 🙂 Und zwar eine sensible.
Alle verlieren, wenn wir uns die Scham nicht anschauen.
Wenn man einen Rampensau-Anteil in sich hat, dann will dieser gesehen werden. Wenn man der Astrologie glauben mag, dann sagt die Löwin in meinem Aszendenten, dass sie auf die Bühne will. Die Löwin wird traurig, wenn sie nicht genug auf dieser steht. Ich kann also gar nichts dafür! Löwinnen kann man nicht wegsperren. Das ist gegen ihre Natur. Tatsächlich fühle ich mich schlecht, wenn ich mich nicht ausdrücken kann. Geht es dir auch so mit einem Anteil von dir?
Wem nützt es also, wenn wir uns nicht zeigen? Den Menschen vor deren Bewertung wir Angst haben? Erstens ist es den Menschen in der Regel völlig egal, was wir machen. Alle haben mit sich zu tun. Entweder sie freuen sich mit uns oder klicken weiter. Zweitens, selbst wenn Menschen negativ bewerten, dann, weil sie den Spiegel vorgehalten bekommen. Sie stehen sich selbst nicht zu, ihren eigenen Weg zu gehen. Also werten sie ab, um sich aufzuwerten.
Denn selbst, wenn es ihnen nicht gefällt, was wir machen, können sie uns doch zumindest feiern! Feiern, das wir unser Ding machen. Unser Wahres Ich ausdrücken. Wenn sie das nicht tun, dann ist es nur von Vorteil, diese Menschen nicht mehr in seinem Umfeld zu haben. Es ist so wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die wohlwollend sind. Also schau dich mal um, in deinem Netzwerk. Wer spornt dich zu Höchstleistungen an und sagt das das Unmögliche möglich ist?!
Die positiven Seiten von Scham
Die Scham will uns schützen. Es gefällt ihr gar nicht, das wir die Komfortzone verlassen und uns auf unbekanntes Terrain begeben. Alles, was der Mensch erstmal nicht gewohnt ist, will er nicht, weil es zu viel Energie verbraucht. Schließlich geht es dem menschlichen Körper erstmal nur um den Lebenserhalt. Nach Sicherung unserer Grundbedürfnisse ist das Leben doch noch so viel mehr als vor sich hinzuleben.
D.h. die Scham können wir wie ein Kompass nutzen. Sie gibt uns die Richtung vor.
Sie zeigt uns, wo ein Schatz verborgen liegt. Dort liegt unsere Verletzlichkeit. Unser authentisches Ich. Das Potential mit Menschen in Verbindung zu treten. Wenn wir uns zeigen, dann trauen sich auch andere Menschen, sich zu zeigen. Wenn wir uns nicht zeigen, dann verlieren wir hingegen nur. Stellt euch vor, Adele hätte sich uns nicht gezeigt! Uns zu zeigen bedeutet die Chance, Menschen zu berühren und zu inspirieren. Und wiederrum Menschen anzuziehen, die uns berühren und inspirieren.
Wie also mit Scham umgehen
- Beobachten: Wo zeigt sich die Scham in meinem Körper?
- Interviewen: Was will die Scham mir sagen?
- Annehmen: „Ich verstehe das. Du willst mich schützen. Danke dir! Kann ich was für dich tun?“ Manchmal will die Scham einfach nur gesehen werden.
- Loslassen und verändern: „Ich werde jetzt weitergehen. Gern mit dir, liebe Scham. Ja, es ist schmerzhaft aus der Komfortzone herauszugehen. Aber ich weiß, dass es sich lohnen wird; Inneres Wachstum und erfüllende Erlebnisse. Meine ganz eigene Essenz leben.
Angst oder Scham werden wir wohl immer fühlen, wenn wir unsere Komfortzone erweitern. Glücklicherweise können wir sie für uns nutzen und uns den Weg zeigen lassen. Deshalb schreibe ich diesen Artikel. Ich habe Angst davor, mich so zu öffnen. Aber ich sehe eine große Chance darin, dass andere Menschen, vielleicht du, sich angesprochen und gesehen fühlen. Und auch eine Chance meine eigene Scham zu verarbeiten. „Ihr dürft mich sehen.“ – Aus diesem Gesetz heraus handle ich ab jetzt.
An dieser Stelle will ich auch ein fettes Dankeschön an meine Familie, Freund*innen und Netzwerk an Menschen richten, die mich immer unterstützen, no matter what! Ohne euch könnte ich nicht solche Schlussfolgerungen ziehen wie in diesem Text!
Und wenn du jetzt Lust bekommen hast auf vertrauensvollen Gesangsunterricht, dann melde dich gern bei mir für ein individuelles Gesangscoaching unter info@mareikepao.com !
Bücher zu dem Thema:
- ‚Die vier Versprechen‘ von ‚Don Miguel Ruiz‘
- The Power of Vulnerability – Brené Brown
- Selbstmitgefühl – Kristin Neff
Kontakt
Mareike Pao
Vocal Coaching Online oder in Dresden
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Tel.: 0174 / 92 89 625
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(45 min für 60,- EUR statt 85,- EUR)
Liebe Mareike, vielen Dank für diesen Tiefgang in das Thema Scham und deinem persönlichen Weg damit. Du sprichst mir aus dem Herzen, berührst mich und erinnerst daran weiter zu gehen. Vielen Dank für den Blickwinkel auf die Scham. Ist es eigentlich die Scham?! 🙃 Mega, ich freu mich auf weitere Texte und schnapp mir eine Onlinesrunde mit dir!
Liebe zu dir aus Andalusien 💕